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Mit eigenem Kraftwerk unterwegs

Das Knie ist nicht bloss da, um einsam durch die Welt zu gehen, findet ein kanadisch/amerikanisches Forscherteam. Und will das Gelenk auch dazu gebrauchen, um während des Gehens elektrischen Strom zu erzeugen. Ein Fettdepot im Wert von 1000 Kilogramm Autobatterien trägt der Durchschnittsmensch mit sich herum. Damit werden unter anderem auch Muskeln gespiesen, in denen das Fett in mechanische Energie umgewandelt wird. Der Wirkungsgrad ist mit rund 25 Prozent etwa vergleichbar mit demjenigen eines Benzinmotors, und 100 Watt Dauerleistung liegen durchaus drin.

Muskelarbeit wird schon lange auch eingesetzt, um elektrischen Strom zu generieren. Man denke nur an das Kurbeltelefon früherer Zeiten oder die Gadgets, mit denen Mobiltelefone wieder zum Leben erweckt werden können. Dauerhaft Strom zu erkurbeln ist aber nicht sehr praktisch, weil der Mensch dann daneben nichts anderes tun kann. Daher ist die Idee bestechend, Strom so nebenher bei einer alltäglichen Tätigkeit zu generieren, etwa während des Gehens. So wurden schon komprimierbare und federnde Schuhsohlen entwickelt, die immerhin mit einer elektrischen Leistung von 0,8 Watt glänzen können. Besser schneidet der Rucksack-Generator ab. Er wandelt die Vertikalschwingung während des Gehens in Strom um und bringt es auf über 7 Watt – die baz berichtete darüber. Der Nachteil ist das Gewicht: Der Rucksack-Generator bringt gut 38 Kilogramm auf die Waage, und wer läuft schon freiwillig den ganzen Tag mit einer Kampfpackung durch die Gegend?

Nun stellt der Kanadier J. Max Donelan in der heutigen Ausgabe von «Science» ein Gerät vor, mit dem man mühelos Strom gewinnen kann. Nicht gerade im Schlaf, aber während des Gehens, indem die Beugungsbewegungen des Kniegelenks zur Stromgeneration herangezogen werden. Donelan erforscht an der Simon Fraser University (School of Kinesiology) menschliche Bewegungsabläufe und konnte zusammen mit amerikanischen Kollegen zeigen, dass die Umwandlung von Knie-Bewegungsenergie in Strom kaum zu erhöhtem Kalorienverbrauch beim Gehenden führt.

Haben die Bewegungsforscher somit endlich das perpetuum mobile erfunden? Natürlich nicht. Sie nutzen lediglich die Beobachtung, dass die Beinmuskeln während des Gehens zyklisch positive und negative mechanische Arbeit leisten müssen. Beim Ausholen zu einem Schritt muss die Kniebewegung ab einem gewissen Punkt durch Muskelarbeit gebremst werden, und eben diese negative Bremsenergie nutzt der von den Bewegungsforschern konstruierte Apparat. Dieser besteht im wesentlichen aus einer Knieschiene, an der ein Mini-Generator und eine Kupplung angebracht sind. Die Computer gesteuerte Kupplung schaltet den Generator immer dann ein, wenn das Knie in die Bremsphase kommt, unterstützt also die Bremsarbeit der Muskeln. Der Kniegenerator kann natürlich auch ständig eingeschaltet bleiben, aber dann erhöht sich der Kalorienverbrauch für die Marschübung ganz erheblich.

Dies haben die Forscher an sechs Probanden nachweisen können, die im zügigen Marschtempo von 5,5 km/h auf dem Laufband unterwegs waren. Mit einer Beatmungsmaske wurde der Kohlendioxid-Ausstoss (und damit indirekt der Kalorienverbrauch) gemessen, während der Kniegenerator wahlweise ein- oder ausgeschaltet wurde. Tatsächlich verbrauchte der Kniegenerator bloss etwa ein Watt metabolischer Energie zusätzlich, um ein Watt Elektrizität zu liefern, das System arbeitet somit mit einem Wirkungsgrad von 100 Prozent.

Durchschnittlich «ergingen» die sechs Versuchsteilnehmer mit den Kniegeneratoren eine elektrische Leistung von 5 Watt. Das ist beachtlich für ein biomechanisches System, damit liessen sich bereits eine kräftige Taschenlampe oder zehn Mobiltelefone betreiben. Donelan und Kollegen sehen daher für ihre Erfindung durchaus ein weites Feld praktischer Anwendungen – etwa als Stromquelle für Armprothesen oder Insulinpumpen für Zuckerkranke. Auch in der Dritten Welt könnte der Kniegenerator Gutes tun, spekulieren die Forscher. Zum Beispiel für die halbe Milliarde Kinder, die ohne Strom auskommen müssen und mit Hilfe des intelligenten Apparätchens herumtollend ihre Computer mit Strom versorgen könnten.

Eine Bedingung muss allerdings erfüllt sein: Wer Strom ernten will, muss sich bewegen. Ob Amputierte die ideale Zielgruppe sind für den Kniegenerator, ist daher zweifelhaft. Und wenn Diabetiker gerne wanderten, wären sie wahrscheinlich auch nicht derart zuckerkrank, dass sie auf eine Strom verbrauchende Insulinpumpe angewiesen wären. Bleiben die Kinder, deren Bewegungsdrang im allgemeinen tatsächlich schwer zu bändigen ist. Doch ob sich die einen solchen Kniegenerator leisten könnten in der Dritten Welt?

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